Vom Gospelchor zum Cafébetrieb
Annegret Müller
Neustart e.V.
„Als ich mit meinem Mann nach Berlin gezogen bin, habe ich anfangs gedacht: Was soll ich bloß in dieser Stadt? 2014 hatte ich den Eindruck, dass mir Gott den Auftrag gibt, in Berlin einen Gospelchor mit Prostituierten zu starten. Das war für mich ein verrückter Gedanke. Ich hatte mit diesem Milieu bisher überhaupt keine Erfahrung.
Dennoch habe ich dem Leiter des Café Neustart davon erzählt. Dies ist ein Begegnungs-Café für Prostituierte und Drogenabhängige auf der Kurfürstenstraße – einem Berliner Straßenstrich.
Zwar war ein Chor bisher nicht möglich, aber ich habe angefangen im Café mitzuarbeiten. Zeitweise haben wir das Singen in die Schicht integriert, indem wir für die Frauen singen und manchmal mit ihnen.
Das Café bietet ein niederschwelliges, wertschätzendes Angebot für Frauen, die versuchen, auf der Straße Geld zu verdienen. Wir geben einige Hilfen ganz praktischer Art, mit dem Fokus „Hilfe zum Ausstieg“. Die Frauen bekommen Essen, Kleidung und oft ergibt sich ein Gespräch und manchmal ein Gebet. Im Grunde sind wir einfach für die Frauen da.
Mit dem Leid, der Aggression und der Gewalt dieser Straße konfrontiert zu werden, können sich viele nicht vorstellen. So ging es auch mir, jedoch habe ich mich darauf eingelassen. Oft tat es gut, das Erlebte mit meinem Mann zu teilen. Wir reflektieren immer wieder Situationen im Arbeitsteam, beten vor und nach jeder Schicht und laden Gott ein, hier zu sein und die Atmosphäre zu prägen. Ohne Gott wüsste ich nicht, wie ich diese Aufgabe sonst schaffen könnte.“